E. Die Konstituierung der evangelischen Gemeinde Pfaffendorf

Die Konstituierung der evangelischen Gemeinde Pfaffendorf Die Nachrichten zum Bau von Kirche und Pfarrhaus sind den Ereignissen vorausgeeilt. Der hohe Zeit-, Kraft- und Verwaltungsaufwand, den Pfarrer Link seit 1890 zu Ausstattung und Leitung des weiter gewachsenen reehtsrheinischen Gemeindeteils hatte aufbringen müssen, war auf Dauer für das Koblenzer Pastorat in seiner damaligen Ausstattung mit zwei Pfarrern wohl nicht mehr zu tragen. Schließlich mochte sein über längere Zeit dauerndes Krankenlager die größere Gemeindevertretung am 4. Februar 1896 zu dem Beschluß bewogen haben, für den rechtsrheinischen Teil der Gemeinde einen Hilfsprediger einzustellen und ihm ein Gehalt von jährlich 1200 Mark zu bewilligen, in der berechtigten Hoffnung, aus dem landeskirchlichen Hilfspredigerfonds einen Zuschuß von 300 Mark zu erhalten. Bereits am 16. Februar trat der von der Pastoral-Hilfsgesellschaft empfohlene Kandidat Karl Lohmann die Stelle an, in die er am 8. März durch den General-Superintendenten D. Baur ordiniert wurde. Das Presbyterium setzte ihn jedoch in die vakanten Funktionen des seit längerer Zeit erkrankten Pfarrers Link ein und nahm seine Dienste für die Koblenzer Gesamtgemeinde in Anspruch. Über Pfarrer Links Tod am 15. März 1896 hinaus versah er dessen Stelle in Vertretung bis zur Einführung des neuen Koblenzer Pfarrers Keller. Am 30. April 1897 erst erhielt Lohmann vom Koblenzer Presbyterium seinen Anstellungsvertrag für das rechte Rheinufer mit zweimonatiger Kündigungsfrist für beide Parteien.

Der Vertrag verpflichtete Lohmann, rechtsrheinisch die Pastoralgewalt mit den pfarramtlichen Handlungen wahrzunehmen, die eigenen Kirchenbücher zu führen, den Konfirmandenunterricht wöchentlich zweistündig zu halten, wobei es den Eltern freistand, ihre Kinder auch zum Unterricht nach Koblenz zu schicken. Ebenso hatte er die Gottesdienste an Sonn- und Feiertagen zu halten, sowie die Kindergottesdienste. Er hatte rechtsrheinisch seine Wohnung zu nehmen. Die Gründung eigener kirchlicher Vereine war ihm untersagt. Dafür hatte er bei der Betreuung der Koblenzer Vereine mitzuhelfen, ebenso bei den linksrheinischen Abendmahlsfeiern und Wochengottesdiensten nach einem in Aussicht gestellten Plan. An den Koblenzer Presbyteriumssitzungen nahm er nur mit beratender Stimme teil.

Wiewohl die Amtsleine, an der man Lohmann reehtsrheinisch agieren ließ, eher kurz erscheint, besteht kein Zweifel daran, daß er selbst dies Verfahren als langsame Überführung des rechtsrheinischen Teils zu gemeindlicher Selbständigkeit verstanden hat. Jedenfalls hat er in dem von ihm verfaßten Koblenzer Jahresbericht von 1897 an den Superintendenten seine Aufgabe so bezeichnet und darin wohl von allen Seiten Unterstützung erfahren, nicht zuletzt von seiner rechtsrheinschen Gemeinde. Noch zu ihrem fünfundzwanzigjährigen Jubiläum im Jahre 1924 gedenkt Pfarrer Lohmann seiner ersten Konfirmation, die er am Palmsonntag 1898 mit 11 Konfirmanden in der Militär-Hilfskapelle feiern konnte. Seine Arbeit begann zweifellos Früchte zu tragen, so daß auch das Konsistorium zwei Jahre später den Antrag "einer größeren Anzahl von evangelischen Gemeindegliedern in Ehrenbreitstein und Pfaffendorf" begrüßte, "den rechtsrheinischen Teil der Kirchengemeinde Coblenz von dieser abzutrennen und zu einer eigenen Kirchen- und Pfarrgemeinde zusammenzuschließen". Zu diesem Zwecke hatte es zum 28. März 1899 die rechtsrheinischen Gemeindeglieder zur Anhörung einberufen. Nachdem die Koblenzer Gemeinde der Trennung zugestimmt und am 7. Februar 1899 die größere Gemeindevertretung in ihrer Sitzung 100.000 Mark zur finanziellen Grundausstattung bewilligt hatte, beschloß die Versammlung der Repräsentanten des rechtsrheinischen Bezirks noch im August 1899, beim Konsistorium die Konstituierung der Gemeinde zu betreiben, obwohl das Projekt des Kirchenbauplatzes südlich der Pfaffendorfer Brücke gerade geplatzt und das Konsistorium gesonnen war, die Ausgliederung mangels eines Bauplatzes bis auf weiteres zurückzustellen. Dennoch hatten die rechtsrheinischen Repräsentanten gegen die Zusage Erfolg, daß sie die Mittel zum Grundstückskauf aus den von der Koblenzer Gemeinde zugesagten Geldern nehmen wurden, sofern diese zum Termin der Konstituierung verfügbar sein würden. Die Urkunde des Konsistoriums und der Bezirksregierung zur Errichtung der evangelischen Kirchengemeinde Pfaffendorf zum 1. Oktober 1899 bestimmt in § 1, daß "die Evangelischen der Bürgermeisterei Ehrenbreitstein (...) aus der Kirchengemeinde Coblenz, Synode Coblenz, ausgepfarrt und zu einer selbständigen Kirchengemeinde Pfaffendorf vereinigt" werden. In § 2 wurde eine Pfarrstelle mit Sitz in Pfaffendorf verfügt. Am gleichen Tag noch ernannte das Konsistorium den Koblenzer Hilfsprediger Lohmann zum Pfarrverweser der Kirchengemeinde Pfaffendorf. Bezüglich der Zuordnung der Kirchengemeinde zum namengebenden Ort Pfaffendorf schrieb Lohmann später, daß Ehrenbreitstein, in dem die evangelische Gemeindebildung ihren Anfang genommen hatte, zweifellos die größere Vergangenheit habe, Pfaffendorf aber "allem Anschein nach" die größere Zukunft. Gemessen an der Liste der evangelischen Einwohner von 1899 wohnten in Ehrenbreitstein 169 Gemeindeglieder, in Pfaffendorf aber bereits 158 Personen und in Horchheim 82. Der Schwerpunkt begann sieh rheinaufwärts zu verlagern, worauf schon der unerfüllt gebliebene Wunsch nach einem Kirchbauplatz oberhalb der Pfaffendorfer Brücke hingedeutet hatte.

Das für die Jahrhundertfeier der heutigen Kirchengemeinde Pfaffendorf grundlegende Datum des 1. Oktober 1899 ist vom damaligen rechtsrheinischen Teil der Evangelischen Kirchengemeinde Koblenz als besonderes Datum gar nicht bemerkt worden. Jedenfalls wurde die Auspfarrungsurkunde von den ausfertigenden Behörden erst am 2. und am 10. Oktober unterzeichnet, aber in § 3 mit rückwirkender Geltung vom 1 . Oktober ab versehen. Noch am Montag, dem 16. Oktober, hatte die "Versammlung der Repräsentanten des ehemaligen rechtsrheinischen Bezirks der Evangelischen Gemeinde Koblenz in Pfaffendorf" von der Auspfarrung lediglich durch private Erkundigungen "Kenntnis erhalten. Trotzdem beauftragte sie Herrn Lohmann, beim Superintendenten der Synode Koblenz in St. Goar den Inhalt der Urkunde zur Pfarreigründung zu erwirken, am kommenden Sonntag (22.10.) von der Kanzel zu verlesen und Wahlen zu den Repräsentativorganen anzukündigen. Das scheint auch gelungen zu sein, denn schon am 1. November 1899 haben unter Leitung und Aufsicht des Superintendenten Rehmann aus St. Goar die Wahlen zur größeren Gemeindevertretung von Pfaffendorf, bestehend aus 24 Repräsentanten, und zum sechsköpfigen Presbyterium stattgefunden. Beide nahmen ihre Arbeit rasch auf. Nach seiner konstituierenden Sitzung im November beriet das Presbyterium bereits am 14. Dezember 1899 die Pflichten des künftigen Gemeindepfarrers, die in die "Nachweise über die dem Pfarrer der evangelischen Gemeinde Pfaffendorfobliegenden Amtsverrrichtungen" vom 8. Januar 1900 eingeflossen und vom Konsistorium am 26. Januar 1900 bestätigt worden sind. Vom gleichen Tag datiert die Ernennung des Hilfspredigers Karl Lohmann zum Pfarrer der Kirchengemeinde Pfaffendorf sowie seine Einweisung in die gleichnamige Pfarrstelle. Die feierliche Einführung des neuen Pfarrers, die das Konsistorium gegen den Willen des Pfaffendorfer Presbyteriums durchsetzte, weil "die Gemeinde Pfaffendorf eine neu gegründete Gemeinde ist, deren Selbständigkeit durch jenen feierlichen Akt zum ersten mal auch äußerlich und sichtbar dokumentiert wird", fand am 4. März 1900 durch Superintendent Rehmann statt. Auf Lohmanns Handexemplar der "Nachweise" sind die oben skizzierten Vorgänge, deren Hintergründe nicht recht hell geworden sind, in dürren Marginalnotizen folgendermaßen vermerkt: "An d[as] K[öni]gl[iche] Consist[orium] Gesuch des Pf[arre]r[s] L[ohmann] vom 2.2.1900, von s[einer] Einführung abzusehen"; "Cobl[enz] 6.2.1900: abschläg[ig] beschieden; 4.3.1900 eingeführt. Predigt-Spruch 2. Cor[inther] 3, 4-6".

Mit dem am 9. Mai 1900 unterzeichneten Ablösungsvertrag der Pfaffendorfer evangelischen Gemeinde war der Prozeß der Auspfarrung des rechten .Rheinufers aus der Koblenzer Kirchengemeinde abgeschlossen. Die neu konstituierte Gemeinde nahm ihre Arbeit auf.

Quelle: 1899 -1999. Festschrift der Evangelischen Kirchengemeinde Koblenz-Pfaffendorf aus Anlass des 100. Jahrestages ihrer Gründung zum 1. Oktober 1899