6. Unser Gemeindeleben braucht vertraute Orte, um sich zu versammeln, muss sich aber auch immer wieder fragen, wo die Menschen sind

Um die gegenwärtige Situation der Kirchengemeinde Pfaffendorf richtig einordnen zu können, ist es wichtig, sich ihrer historischen Wurzeln bewusst zu bleiben.

Die Reformation Martin Luthers blieb nicht ohne Einfluss auf das Gebiet unserer Gemeinde. Bereits im Jahr 1532 trat das Augustiner-Eremiten-Kloster in Ehrenbreitstein zur Reformation über. Der Fürst-Bischof erstickte die Bewegung jedoch im Keim. Erst zu Beginn des 19. Jahrhunderts konnten sich wieder Anhänger der Reformation hier ansiedeln. Im Jahr 1899 kam es zur Gründung der Evangelischen Kirchengemeinde Koblenz-Pfaffendorf, in deren Grenzverläufen sich bis heute die historischen Grenzen der Bürgermeisterei Ehrenbreitstein erhalten haben.

Von Anfang an waren die Evangelischen auf der rechten Rheinseite auf der Suche nach einem „Kirchlichen Locale“ an dem Ort, an dem sie lebten. Der Bau der alten Kirche Pfaffendorf 1902 war der erste Höhepunkt in dem Bestreben, die „Kirche im Dorf“ zu haben. Sie war zunächst der zentrale Gottes-dienst- und Versammlungsort für die gesamte Gemeinde. Durch sie erhielt die Gemeinde ihre Identität. Das macht bis heute ihre Bedeutung aus. Darüber hinaus ist sie – am Flussübergang zentral gelegen – wegen ihrer einfallsreichen Architektur und ihrer romantischen Orgel ein hervorragendes Zeugnis neogotischer Baukunst. Sie ist, wie jede unserer Kirchen, ein sichtbares Zeichen für Kontinuität und Festigkeit in allem Wandel. Unsere Kirchen sind Orte, an denen wir uns unserer eigenen Identität als Christinnen und Christen und als Gemeindeglieder vergewissern können. Hier versammeln wir uns im offiziellen Raum um die tragenden und verbindenden Elemente Taufe, Abendmahl und Verkündigung. In gewisser Weise wird dadurch der Glaube vor dem Abdriften ins Private und Beliebige geschützt.

Nicht alles ist dabei rational zu erklären und zu begründen. Die Verbundenheit mit einer Kirche hat auch viel mit Gefühlen zu tun, mit dem allgemein menschlichen Bedürfnis nach Wiedererkennbarkeit, Heimat und Verlässlichkeit.

Mit wachsenden Bevölkerungszahlen entstanden ab den 60er Jahren des 20. Jahrhunderts weitere Räume, in denen man als Teilgemeinde zusammenkommen konnte. Das katholische Vorbild „ein Ortsteil – eine Kirche“ weckt bis heute entsprechende evangelische Wünsche. Auch die schwierigen topografischen Bedingungen – Berg und Tal – fördern den Wunsch nach Angeboten in jeweils unmittelbarer Nähe.

Zurzeit werden in sieben Kirchen bzw. Gemeindezentren Gottesdienste und eine Fülle von Gemeindeveranstaltungen angeboten. Bei derzeit insgesamt eher sinkenden Gemeindegliederzahlen und zunehmend knapperer Finanzsituation ist jedoch immer wieder zu prüfen: Ist die Anzahl der Versammlungsorte noch angemessen? Wie verändern sich eventuell durch die Verschiebung von Gemeindegliederzahlen auch die Bedürfnisse? Festzustellen ist bereits jetzt, dass – im Gegensatz zum Talbezirk – die Bezirke Höhe und Nord teils erhebliche Zuzüge durch entstehende Neubaugebiete verzeichnen und noch erwarten können. Hier stehen wir vor der Aufgabe, das (zahlenmäßige) Gleichgewicht zwischen den einzelnen Bezirken, unter Berücksichtigung der Verbindungen zwischen den einzelnen Ortsteilen, wieder herzustellen.

Unsere Gemeinde ist im Laufe der Zeit stabiler geworden, hat aber auch an Mobilität verloren. Bis heute haben die drei Bezirke, manchmal auch noch Ortsteile innerhalb der Bezirke, in mancher Hinsicht ihr Eigenbewusstsein. Dieses Nebeneinander, die Schwierigkeit zusammenzukommen und sich als eine größere Gemeinschaft erleben zu können, empfinden Gemeindeglieder als Schwäche unserer Gemeinde. Aber es wird auch der Wunsch laut, mehr überbezirkliche Veranstaltungen zu haben und Gottesdienststellen zu konzentrieren. Hier das rechte Maß zu finden, wird eine konkrete Aufgabe der nächsten Jahre sein.

Nicht zu unterschätzen ist die Bedeutung der Hauptzentren. Wenn ein solches plötzlich wegfällt, wie die Pfaffendorfer Kirche durch ihre akute Baufälligkeit derzeit, kann ein ganzer Bezirk die ins Wanken geratene Stabilität einer Kirche schmerzhaft zu spüren bekommen. Mit der Pfaffendorfer Kirche ist eine zentrale Anlaufstelle geschlossen worden. Räume an anderer Stelle konnten den Verlust nicht auffangen. Das Gemeindeleben im Bezirk ist in Auflösung geraten. Deshalb wurde die Wiederherstellung des Gemeinderaumes Emser Str. 23, direkt gegenüber der Kirche, beschlossen und auf den Weg gebracht. Die Umstrukturierung im Verwaltungsbereich (Anschluss an den Gemeindeverband, Wegfall des bisherigen Gemeindebüros) kam diesem konkreten Schritt entgegen.

Die Kirche Pfaffendorf wird für unsere Gemeinde eine bleibende Herausforderung auf lange Zeit sein. Es ist ständig zu prüfen, in welchem Verhältnis der Erhalt des historischen Gebäudes und die aktuellen inhaltlichen Aufgaben der Gemeindearbeit zueinander stehen.

Insgesamt gilt es, immer das gesamte räumliche Angebot der Gemeinde im Blick zu behalten, auch wenn darunter die Pfaffendorfer Kirche sowie das um 1830 von Lassaulx im rheinischen Synagogenstil erbaute Teehaus der Familie Mendelssohn als historische Gebäude besondere Bedeutung für unsere Gemeinde haben und verpflichtendes Erbe sind, um dessen Unterhaltung wir uns bemühen:
Die Kirche Pfaffendorf ist ein zentraler Gottesdienstraum der Gemeinde, der darüber hinaus z.B. für Konzerte und Theateraufführungen genutzt werden kann. Nutzung und Unterhalt sollen in Zusammenarbeit mit anderen Kulturträgern erfolgen. Im Teehaus, das die Gemeinde 1922 übernommen hat, geht es darum, das Andenken an die jüdisch-christliche Familie Mendelssohn zu erhalten, die dem Ort und den Gemeinden viele Wohltaten erwiesen hat. Auch hier sollen andere Kulturträger miteinbezogen werden.

Die Stabilität, die mit der Bereitstellung von Versammlungsorten verbunden ist, ist jedoch nicht das alleinige Rezept für eine lebendige Gemeinde in unserer Zeit. Nur ein Bruchteil der zur Gemeinde zählenden Menschen findet den Weg manchmal oder öfter in eine der Kirchen oder eines der Gemeindezentren. Ein Großteil lässt sich von Angeboten überhaupt nicht (mehr) erreichen.

Mobilität ist gefragt, die nun nicht auf feste Versammlungsorte fixiert ist, sondern Menschen – auch gemeinde- und kirchenferne –, da aufsucht, wo sie sind. Was wir als Gemeinde zu bieten haben, muss unter die Menschen gebracht werden. Sie wollen angesprochen, aufgesucht, eingeladen werden. Mobilität ist hier in einem vielschichtigen Sinne gefordert, nicht nur räumlich. Ein wichtiger Aspekt sind Hausbesuche (s. Kapitel 1).

Die Presse- und Öffentlichkeitsarbeit ist das Mittel, unsere Angebote bekannt zu machen. Der Gemeindebrief “Kontakte“ ist ein akzeptiertes und genutztes Medium, reicht aber nicht aus. Mit der lokalen Tageszeitung besteht eine direkte Zusammenarbeit über einen freien Mitarbeiter, der für die rechte Rheinseite verantwortlich ist. Dieser Verbindungsmann kann und muss von allen, die etwas anzukündigen haben, genutzt werden. Unsere Homepage http://www.evangelisch-in-koblenz.de/pfaffendorf ist überarbeitet und präsentiert unsere Gemeinde umfassend und aktuell im Internet. Die Schaukästen werden zurzeit nicht besonders gestaltet. Kreative Menschen täten hier als Verstärkung gut. Ansonsten muss bei allen Aushängen auf Aktualität und Übersichtlichkeit geachtet werden.

Die Pfarrstelleninhaber und -inhaberinnen werden häufig eingeladen, bei nicht-kirchlichen Ereignissen auf Orts- und Vereinsebene präsent zu sein. Darin liegt die Chance, sich als Kirche und Gemeinde ins Bewusstsein zu bringen und sich denen anzubieten, die im kirchlichen Rahmen nicht anzutreffen sind. Da nicht alle Termine von den Pfarrern und Pfarrerinnen wahrzunehmen sind, sollten Einladungen an Presbyter und Presbyterinnen weitergeleitet werden, die dann unsere Gemeinde offiziell vertreten.